Paris gilt als Zentrum Frankreichs. Wer jedoch genau auf die Karte schaut, wird sehen, Mosnay liegt deutlich zentraler: Das Dorf befindet sich schön in der Mitte zwischen Genf und Atlantik, zwischen Ärmelkanal und Mittelmeer, in einer Region namens Centre-Val-de-Loire. Seit 2018 leben in diesem Mosnay auch Bertha Mlosch und René Rickenbach, die 2010 die Bio-Schule Schwand abgeschlossen haben. Wie es ihnen derzeit ergeht, erzählen die beiden in folgendem Text.
Grosszügig landwirten
Wollen wir irgendwo hinfahren, müssen wir ein Papier ausfüllen, eine Ausnahmebewilligung, um sich zu verschieben, wie das hier genannt wird. Man kann ankreuzen: Zum Arbeitsort fahren, weil man nicht télétravail machen kann, Lebensmittel einkaufen, ein Arzt-Termin oder Juristisches. Auf allen Formularen müssen Datum und Zeit notiert sein. Schon erstaunlich, dieser Aufwand. Wenn wir mit dem Traktor fahren, ist das kein Problem. Da wissen die Gendarmen, man fährt, um eine Arbeit zu verrichten. Ansonsten wird viel kontrolliert. Es sind massiv weniger Autos unterwegs, es gibt kaum Parkbussen zu verteilen, weniger Unfälle, da haben die Polizisten viel Zeit.
Restaurants und Kantinen sind noch alle zu; es wird viel weniger Fleisch konsumiert. Die Preise sinken. Natürlich kann man sagen: Dann schlachten wir halt, wenn die Nachfrage wieder da ist. Aber diese Lücke, die jetzt entsteht, wird sich später nicht füllen. Es gibt jetzt einfach zu viele Tiere, der Preis wird sich so rasch nicht erholen.
«Schliesslich stellten die uns eine Quittung aus für Schrauben, gaben uns aber Saatkartoffeln.»
Die witzigste Geschichte erlebten wir mit den Saatkartoffeln. Es gibt in der Nähe einen Laden, ein Familienbetrieb. Wir wollten Saatkartoffeln kaufen, und die hatten auch welche, aber die durften sie nicht verkaufen. Wegen dieser Massnahmen. Aber die fanden das genau so idiotisch wie wir. Schliesslich stellten die uns eine Quittung aus für Schrauben, gaben uns aber Saatkartoffeln. Die hatten einfach Angst, eine Busse bezahlen zu müssen.
Seit August 2018 sind wir nun in Frankreich. Wir wollten unbedingt landwirten, aber in einem etwas grösseren Massstab; um in der Schweiz einen Hof zu kaufen, fehlte uns das Geld. Pachten wollten wir nicht. So kamen wir nach Frankreich. Unser Hof liegt etwa 25 Autominuten vom Hauptort entfernt, aber doch so abgelegen, dass wir kein anderes Haus sehen. Die nächsten Nachbarn sind etwa einen Kilometer entfernt. Wer uns besucht, muss uns zuerst finden. Auch wir haben den Hof erst fast nicht gefunden.
Die Franzosen finden es sehr hügelig hier, wir finden es flach.
Mit 170 Hektaren sind wir ein kleiner bis mittlerer Betrieb. Klar, es gibt welche, die haben nur 100 Hektaren, aber die sind dann wirklich klein, dann hast du Nachteile bei der Vermarktung. Das zeigt sich vor allem beim Getreide: Wenn die mit dem grossen Lastwagen kommen, musst du ihn auch füllen können.
Wir bewirtschaften circa 40 Hektaren Ackerfläche, der ganze Rest, 130 Hektaren, sind Grünland. Auf dem Acker wachsen jetzt Sonnenblumen, Weizen, Triticale-Erbsen und Sommergerste. Von den Triticale-Erbsen ist alles für die Kühe, die ganzen zehn Hektaren.
Das mit dem Grünland ist schon deutlich extensiver als in der Schweiz. Nur bei guten Niederschlägen geben die Flächen einen zweiten Schnitt her; es ist trocken hier. Auch heiss. Und die Saison verläuft anders. Wir können unsere Kühe bis im Dezember oder Januar auf der Weide lassen, der Vegetationsbeginn kommt aber nicht schneller als in der Schweiz. Anfangs April haben wir die Kühe dieses Jahr wieder rausgelassen. Wenn sie einmal draussen sind, bringt man sie fast nicht wieder rein. Aber im Juli muss man die Stiere wegnehmen. Und im September sollen die Mütterkühe rein, damit man per Ultraschall feststellen kann, ob sie trächtig sind. Wenn auf der Weide fast alles braun ist, kommen sie besser rein.
In der Schweiz haben wir nach der Überzeugung feed no food gearbeitet. Es leuchtet ein, dass das hier nicht umsetzbar ist. Erstens wegen der Trockenheit: Verglichen mit Gras wächst Getreide auch bei Trockenheit noch recht gut. Und zweitens wegen der Anforderungen an den Ausmästungsgrad. Hier kannst du kein mageres Tier verkaufen. Das will schlicht niemand. Es muss richtig ausgemästet sein. Und das bringst du mit Gras und Bodenheu einfach nicht hin.
«Es spaziert niemand mit seiner Kuh am Halfter in einen Anhänger.»
Es gibt viele Mutterkühe in Frankreich, das heisst, es spaziert niemand mit seiner Kuh am Halfter in einen Anhänger. Einen Halfter, das gibt es bei uns nur, wenn wir den Kälbern die Ohrmarke geben. Hier baut man einen Treibgang und gibt den Tieren Zeit. So wird dann ein Tag und einen Abend lang verladen, über Nacht haben die Tiere im Stall der Kooperative eine Pause, anderntags wird geschlachtet.
Müssen wir eine Einzelbehandlung machen, arbeiten wir mit dem Lasso. Klar, das haben wir erst lernen müssen.
Wir halten auf unserem Hof 50 Mutterkühe der Rasse Limousin, zwei Stiere, ungefähr 35 Rinder und circa 50 Kälber. Alles in allem also sind das etwa 130 Tiere. Neben drei Eseln, zwei Hunden und zwei Katzen.
Viele geben ihre Kälber nach zehn Monaten nach Italien, einige gar nach Marokko. Für die Ausmast. Nur wenig Betriebe mästen Kälber selber aus. Das ist auch so, weil der Staat Beiträge bezahlt für Kühe, aber nicht für Jungtiere. Mit 220 Euro unterstützt der Staat hier eine Kuh im Jahr. Was dem Verkauf gut tut, sind die zahlreichen Kooperativen, welche bestrebt sind, zum Beispiel auch mit Supermärkten lokal zusammenzuarbeiten. Bestrebt sind, lange Transporte zu verhindern.
Diesen Herbst wird die Umstellung auf bio fertig. Dann kommen die ersten grossen Tiere zum Metzger. Wir sind bei einer Fleisch-Kooperative dabei, die in der Region engagiert ist. Das ist toll. Die allgemeine Bürokratie jedoch ist haarsträubend. Bis wir den Traktor, den wir aus der Schweiz mitbrachten, hier haben registrieren lassen können, war das ein Riesen-Kabarett.
Mein Mann und ich, wir teilen uns die Arbeiten gut auf. Bei diesen grossen Flächen ist klar, dass wir beide oft auf dem Traktor sitzen. Ansonsten ist René eher in der Werkstatt, er ist ja noch Polymech. Und ich bin eher im Büro, auch wegen der Sprache. Wenn es gesundheitlich etwas mit den Tieren zu gun gibt, ist das eher mein Gebiet.
Demnächst werden wir uns mit vier anderen Betrieben einen Angestellten teilen; der arbeitet dann je einen Tag die Woche auf einem Hof. Das ist ideal für uns. Und sorgt auch ein bisschen für Vernetzung.
Klar, wir sind noch neu hier, kennen noch nicht viele Leute. Aber der Hausarrest verändert nicht viel für uns, wir sind sowieso fast die ganze Zeit zuhause.
Über die Entstehung
Aufgezeichnet von Urs Mannhart Ende April 2020.
Alle Bilder: Bertha Mlosch und René Rickenbach.